Geschichtliche Entwicklungen aus Sicht der Praxis und von Betroffenen

1992 Gründung des privatrechtlichen Vereins der ICNIRP (International Commission in Non- Ionising Radiation Protection) am Ort der Dienststelle München des deutschen Bundesamtes für Strahlenschutz BfS. Gründungsvorsitzender war der Elektrotechniker Michael Repacholi, bekanntester wissenschaftlicher Exponent der Mobilfunkbranche (und später für das EMF-Projekt bei der WHO verantwortlich). Die ICNIRP übernimmt vom IEEE/ICES (Institute of Electrical and Electronics Engineers / International Committee on Electromagnetic Safety) die Methode der Grenzwertsetzung unter ausschliesslicher Berücksichtigung thermischer Effekte. Als Gruppe industrie- und militärnaher Wissenschaftler (anhand deren beruflicher Laufbahn verifizierbar!) verbreitet sie nun das „thermische Dogma“ weltweit und knüpft über die WHO das Netz zur Einführung der entsprechenden Grenzwerte.

1995/1996 Michael Repacholi wechselt von der ICNIRP zur WHO und ist dort als Nicht-mediziner für die gesundheitlichen Risiken nicht-ionisierender Strahlung zuständig. Er „verwandelt“ die renzwertempfehlungen aus der Zeit als ICNIRP-Präsident in Empfehlungen der WHO. Die meisten westlichen Regierungen übernehmen diese unzulänglichen Empfehlungen in ihre nationale Gesetzgebung.

1996 Markteinführung der DECT-Schnurlostelefone mit ständig (24h) strahlender Basisstation, Taktung 100 Hz. Ab jetzt kommen Beschwerdemeldungen wegen EMF nicht mehr nur aus der Nähe von GSM-Basisstationen, sondern aus Wohnungen im ganzen Land. Ab diesem Zeitpunkt gibt es potentiell keine strahlungsfreien Gebiete mehr.

1996 Prof. Jürgen Bernhardt löst den ersten ICNIRP-Vorsitzenden M. Repacholi im Amt ab. Zugleich ist Bernhardt Abteilungsleiter im deutschen Bundesamt für Strahlenschutz BfS. 1998 wird er Vorsitzender des NIS-Ausschusses in der Strahlenschutzkommission SSK (bis 2002). Just während der Einführung der deutschen NIS-Grenzwerte ist Bernhardt demnach staatlicher Beamter und ICNIRP-Vorsitzender in Personalunion (!).

1997 Festlegung des ersten WLAN-Standards IEEE 802.11. In der Praxis werden indessen noch jahrelang nur wenige WLAN-Netze angetroffen.

1998 Veröffentlichung der ICNIRP-Grenzwertvorschläge und deren Begründungen. Ein wissenschaftliches Urteil darüber: „Diese Voreingenommenheit [der ICNIRP-Autoren] geht so weit, dass die meisten der vorhandenen wissenschaftlichen Studien, welche Effekte zeigen, ignoriert werden, und die ausgewählten Studien werden weitgehend falsch dargestellt, falsch interpretiert und missbräuchlich verwendet.“ (Cherry 1999). Die Kritik des unabhängigen Wissenschaftlers Neil Cherry kann ohne weiteres nachvollzogen werden. Bei einer detaillierten Überprüfung musste festgestellt werden, dass die heutigen internationalen Grenzwerte eigentlich auf einer bewussten Falschinterpretation weniger Studien beruhen. Am Anfang des beispiellosen „Siegeszugs“ des Mobilfunks steht ein Wissenschaftsbetrug. Das Bestreben der ICNIRP ist es, diese Grenzwerte weltweit durchzusetzen sowie alle Versuche der Anerkennung nichtthermischer Effekte abzuwehren oder, seit die nicht-thermischen Effekte allgemein anerkannt sind, deren Einfluss auf das Krankheitsgeschehen abzustreiten. Bis heute nehmen die ICNIRP-Mitglieder jede Gelegenheit wahr, dies öffentlich zu tun. Insofern sie Forscher sind, veröffentlichen sie selber ausschliesslich Negativstudien.

1999 Resolution von Umweltärzten, Betroffenenverbänden, Wissenschaftlern und Baubiologen z.H. Bundesumweltminister Jürgen Trittin: Vorschlag eines Vorsorgewertes zum Schutz empfindlicher Personen von 0.02 V/m im Wachbereich und 0.002 V/m im Ruhebereich aufgrund der mehrjährigen Erfahrungen mit GSM- und DECT-Strahlung.

2000 Inkrafttreten der Verordnung nichtionisierende Strahlung NISV: Übernahme der ICNIRP-Grenzwerte von max. 61 V/m als „Immissionsgrenzwert“ für die Summe aller HF-Immissionen an beliebigen Orten. Teilweise Anerkennung der Existenz nichtthermischer Effekte, deshalb Einrichtung eines „Vorsorgewertes“ von (z.B.) 6 V/m, genannt „Anlagegrenzwert zur Emissionsbegrenzung“. Seither ständige offizielle Behauptungen, wir Schweizer seien besser geschützt als das Ausland, was jedoch eine Falschinformation ist. Im Ausland wird einfach der dort gültige hohe Grenzwert viel weniger ausgenützt, siehe u.a. die Messwerte der deutschen Bundesnetzagentur7 sowie publizierte deutsche Messkampagnen, die durchwegs – mit seltenen Ausnahmen extremer „Ausreisser“ – im selben Bereich wie unsere Schweizer Messwerte liegen, d.h. unterhalb des Schweizer Anlagegrenzwertes. In der Schweiz hingegen wird der Anlagegrenzwert von Sendern in Bauzonen meistens voll ausgereizt (gemäss Standortdatenblatt bzw. hochgerechneten Messungen). Zudem sind in der Schweiz keine weiteren Schutzkonzepte wie beispielsweise die in Deutschland vorgeschriebenen Sicherheitsabstände zu Antennen definiert.

2000 Salzburger Resolution zu Mobilfunksendeanlagen“ von 20 unabhängigen Wissenschaftlern aus aller Welt. Vorschlag eines Vorsorgewertes von 0.6 V/m für die Summe der GSM-Immissionen. Ein Versuch der Verwirklichung in der Stadt Salzburg auf freiwilliger Basis scheitert mangels Beteiligung der Betreiber.

2002 Neuer Salzburger Vorsorgewert (Empfehlung der Landessanitätsdirektion) im Freien 0.06 V/m, im Innern 0.02 V/m. Grundlage: praktische Erfahrungen und Studien. (Die geltenden Schweizer Grenzwerte von 1999 liegen im Freien bei 61 V/m und im Innenbereich bei 6 V/m.)

2002 Erster Freiburger Ärzteappell aufgrund von Erfahrungen in Umweltärztepraxen: ein Zusammenhang von Ursache (EMF) und Wirkung (Krankheiten) sei offensichtlich. Unterzeichnet durch weltweit 1'000 Ärzte und 36'000 weitere Unterstützer.

2003 Überarbeitete Richtwerte des „Standards der Baubiologischen Messtechnik“ SBM (Quelle: Tausende von Praxisfällen) als international angewandte Skala zur gesundheitlichen Bewertung von EMF-Immissionen für empfindliche Personen am Schlafplatz. Für getaktete (gepulste) Strahlung: „Extrem auffällig – sofortige Sanierung“ ab 100 μW/m2 (0.2 V/m), „unauffällig – keine Sanierung nötig“ unterhalb von 0.006 V/m.

2004 Bamberger Ärzteappell; nachfolgend ähnliche Appelle weiterer deutscher Ärztegruppen, dann auch der Freienbacher Appell 2005 (CH).

2004 Sendebeginn UMTS in der Schweiz (mobiles Internet).

2006 Luzern beginnt die Reihe der Installation öffentlicher WLAN-Netze in Städten.

2006 Benevento-Appell von 31 unabhängigen Wissenschaftlern. Es folgten weitere Wissenschaftler- Appelle (Auswahl): 2008 RCNIRP (Russland); 2008 Venedig; 2008 L'appel des vingt (20 franz. Krebsspezialisten); 2009 Porto Alegre; 2011 RCNIRP; 2011 Seletun; 2012 AAEM (American Academy of Environmental Medicine), 2013 Potenza Picena.

2007 Die Bioinitiative Working Group, eine unabhängige internationale Wissenschaftlervereinigung, äussert in einem ersten Bericht grosse Bedenken hinsichtlich der gesundheitlichen Risiken von EMF: Der BioInitiative Report ist eine Gesamtschau der vorhandenen wissenschaftlichen Studien und einer  Grenzwertempfehlung für HF-Gesamtstrahlung im Freien von 0.6 V/m.

2007 Erste Mahnung der Europäischen Umweltagentur (EEA) zur Vorsorge

2008 Die Swisscom lanciert das iPhone, verkauft davon 170'000 Stück und verdreifacht dadurch das Datenvolumen, das über ihr UMTS-Netz gesendet wird.

2008 Die russische Strahlenschutz-Behörde (RCNIRP) warnt vor dem hohen Gesundheitsrisiko für Kinder durch den Gebrauch von Mobilfunktelefonen.

2008 (ca.) Beginn des WLAN-Booms in Privathaushalten.

2009 Beschluss des Europaparlaments mit dem Titel „Gesundheit und EMF“: Das Europäische Parlament fordert die Mitgliedstaaten auf, die Grenzwerte für den Mobilfunk neu festzulegen, nichtthermische (biologische) Wirkungen zu berücksichtigen, die Öffentlichkeit für die potentiellen Gefahren zu sensibilisieren, unabhängige Forschungsarbeiten zu fördern und leitungsgebundenen Technologien den Vorrang zu geben und einen Leitfaden zur Verminderung der EMF-Immissionen erarbeiten.

2009/2010 Die Gouverneure der Bundesstaaten von Florida, Connecticut und Colorado proklamieren jeweils einen “Monat der Elektrosensibilität”, um über diese ernsthafte Erkrankung infolge elektromagnetischer Strahlung zu informieren.

2011 Zweite Mahnung der Europäischen Umweltagentur (EEA) zur Vorsorge

2011 Beschluss Nr. 1815 des Europarats „Die potentiellen Gefahren durch EMF und ihre Auswirkungen auf die Umwelt“, enthaltend u.a. die Forderung nach einer mittelfristigen Senkung des HF-Grenzwertes auf 0.2 V/m zur Berücksichtigung der nichtthermischen Auswirkungen.

2011 WHO-IARC-Expertengruppe stuft Mobilfunk grossmehrheitlich als „möglicherweise karzinogen“ ein (Klasse 2B). Einzelne der Experten stimmen in der Schlussabstimmung für „wahrscheinlich karzinogen“ (2A).

2011 Abschluss des 2007 begonnenen Nationalen Forschungsprogramms NFP57: Es gibt nichtthermische biologische Effekte. Um sich den in der Praxis bereits manifesten gesundheitlichen Konsequenzen dieses Ergebnisses für die Mobilfunkgrenzwerte nicht stellen zu müssen, wird auf die hohen Magnetfelder des Induktionsherdes abgelenkt und Schwangeren zur Vorsicht geraten. Ansonsten gelte „Entwarnung, aber kein grünes Licht“, was das auch immer heissen mag.

2012 „Internationaler Ärzteappell“ als Bestätigung und Aktualisierung des Freiburger Ärzteappells von 2002. Die Unterschriftensammlung ist im Gang.

2012 Die Bioinitiative Working Group legt nach fünf Jahren ihren zweiten Bericht vor: BioInitiative Report, Aktualisierung der Fassung von 2007: Nach der Auswertung hunderter weiterer und aktueller Studien, wird erneut eindringlich vor den Risiken elektromagnetischer Felder (Funkstrahlung etc.) gewarnt., Grenzwert-Empfehlung für Langzeitexposition gegenüber gepulster HF-Strahlung auf wissenschaftlicher Grundlage neu 0.034 bis 0.048 V/m.

2013 Die amtliche Dokumentation „Späte Lehren aus frühen Warnungen“ Band II der Europäischen Umweltagentur (EEA) enthält das Beispiel der Mobilfunkstrahlung. Auch vor ihr wurde früh gewarnt, aber die Lehren aus den Warnungen werden bisher seitens der Regierungen nicht gezogen. (Im Band I von 2002 war der Mobilfunk noch nicht enthalten.)

2013 Die Europäische Umweltagentur weist in einer umfassenden Studienübersicht auf das Risiko für Hirntumore beim Gebrauch schnurloser Telefone und Handys hin.

2013 Die Swiss Re hat elektromagnetische Felder in die höchste Risikostufe für neue Technologien eingeteilt und warnt vor den langfristigen gesundheitlichen Folgen.

2015 Auf der Insel Mainau im Bodensee wird das erste praxisorientierte Pilotprojekt zur Erprobung der optischen Datenübertragung mittels LED-Licht statt Funkstrahlung gestartet.

2015 194 Wissenschaftler aus 39 Ländern fordern die UNO und WHO auf, ihre Grenzwertempfehlungen dem Stand der Wissenschaft anzupassen und die Weltbevölkerung besser vor EMF zu schützen.

2016 Die Europäische Akademie für Umweltmedizin (EUROPAEM) veröffentlicht die EMF-Leitlinie zur Vorsorge, Diagnostik und Behandlung von Gesundheitsproblemen verursacht durch elektromagnetische Felder EMF (Funkstrahlung etc.).