Elektrosmog-Monitoring - Artikel NZZ 25.5.2014

 

Messungen wie in Basel sind unbrauchbar
„Die Messungen müssen nicht sehr lang sein. Wichtiger ist, an möglichst vielen Orten zu messen.“ meint Jürg Baumann. Wenn, wie in Basel geschehen, zwei Personen mit dem Messgerät im Rucksack durch die Strassen schlendern, ergeben sich schon die ersten zwei groben Messfehler: Der Körper der Messperson schirmt in drei Viertel aller Messintervalle das Messgerät gegenüber der Mobilfunkantenne auf dem benachbarten Dach derart ab, dass das Messgerät bis zu zwölf Mal weniger anzeigt (in V/m). Theoretisch müsste die Person das Gerät auf einem Helm montieren und so das Gebiet abschreiten und nach spätestens jedem dritten Schritt eine Drehung um 360° machen. Der zweite, gravierendere Fehler, dem die Basler ihre tiefen Durchschnittswerte verdanken, ist die Beschränkung der Messwanderung auf die Trottoirs in der Innenstadt. Die mehrstöckigen Häuser schirmen die Strassenschluchten ideal vor dem Strahlenkegel der Mobilfunkantennen auf den Hausdächern ab. Schon auf Höhe eines dritten Stockwerkes ist die Strahlung 16 Mal höher als auf Strassenniveau (in V/m). Im sechsten Stock muss bereits mit Grenzwertüberschreitungen gerechnet werden.

Welches sind die „fraglichen Gebäude“?
„Immissionen von Handys, WLAN-Anschlüssen oder elektrischen Installationen lassen sich vor Ort messen. Zu diesem Zweck stattet man Personen mit Messgeräten aus, welche die fraglichen Gebäude und Gebiete während eines bestimmten Zeitraums abschreiten.“ – schreibt die NZZ. Wir wissen: Zu diesem Zweck müsste man an vielen exponierten Stellen stationär und über längere Zeit messen, da die Belastungsart zeitlich stark variiert. Das würde landesweit Millionen von Messpunkten bedingen und wäre fast nicht bezahlbar. Bei der Messung in Basel sind Handys und WLANs in den Wohnungen noch gar nicht berücksichtigt worden, allenfalls hat das Messgerät bloss das eine oder andere WLAN, das in einem Büro im Erdgeschoss betrieben worden ist oder ein paar Handys von Passanten erfasst. Um die von aussen kommende Strahlung in einer Wohnung zu erfassen, muss, gemäss Anordnung des Bundesamtes für Umwelt, stets bei offenem Fenster auf 1.5 m ab Fussboden gemessen werden. Wird das Monitoring des Bundes auch die Wohnungen in den oberen Stockwerken erfassen oder begnügt man sich wie bisher, alles auf einer Ebene von 1.5m über dem Erdboden darzustellen? Wird auch in hohen Gebäuden in den Hauptstrahlrichtungen der Antennen gemessen?

Das ewige Märchen der besseren Schweizer Grenzwerte
An dieser Stelle muss wieder einmal darauf hingewiesen werden, dass die Schweizer Bevölkerung nicht besser vor Elektrosmog geschützt ist als der Rest von Europa. Die vielzitierten strengeren Grenzwerte bestimmen, dass Mobilfunk-Sendeanlagen Orte für den Kurzzeitaufenthalt von Menschen mit maximal 61 Volt pro Meter bestrahlen dürfen (Immissionsgrenzwert). An Orten, an welchen sich Menschen lange oder dauernd aufhalten (z.B. in Wohnungen, Schulen, Büros) darf von jeder Antennenanlage nur ein Zehntel dieses Wertes auftreffen (Anlagegrenzwert, max. 6 V/m). In den meisten europäischen Ländern gilt der gleiche Immissionsgrenzwert für jede einzelne Antenne. Zudem ist ein Sicherheitsabstand rund um die Antenne definiert. Der in der Schweiz zusätzlich definierte Anlagegrenzwert von maximal 6 V/m an Orten für Daueraufenthalt (also in Gebäuden) wird von einer einzelnen Antenne sowohl in der Schweiz als auch im Ausland automatisch eingehalten. Dies geschieht infolge der Dämpfung durch Betondecken, Distanz und Abweichung zur vertikalen Senderichtung.
Zu erwähnen ist auch, dass alle WLANs, öffentlich oder privat, und Mikrofunkzellen, die in den Städten die Mobilfunkantennen ergänzen, keinem Grenzwert unterstehen und auch keine Bewilligung brauchen. Fakt ist, dass in den Ballungszentren von ganz Europa, inklusive Schweiz, etwa gleich viel Elektrosmog herrscht; der Datenverkehr und die Gerätedichte ist ja auch vergleichbar.

Die Grenzwerte schützen nicht genug
Die Aussage im BAFU-Bericht von 2013 „Bei diesem Belastungsniveau wurden bisher keine gesundheitlichen Auswirkungen nachgewiesen“ ist schlicht falsch. Fakt ist nämlich auch, dass gemäss allen wissenschaftlichen Studien, die nicht von der Mobilfunkindustrie gesponsert werden, Funkstrahlung bereits ab 0.02 V/m zur Störung im Wohlbefinden der Menschen führt und die Gesundheit von Organismen beeinflusst. Das kann, je nach Dauer, Art und Intensität der Belastung, zu mannigfaltigen Symptomen führen, von Schlafstörungen über Unfruchtbarkeit bis zum Hirntumor, von Wachstumsschäden an Bäumen über Bienensterben bis zur Kälberblindheit.

Warum gibt es keine Langzeitbeobachtungen?
Im Bericht steht auch „Methodisch ausgereifte Langzeitbeobachtungen fehlen praktisch vollständig.“ Warum wohl? Die Technologie existiert schon lang genug, um solche Beobachtungen machen zu können. Es ist, wie immer, viel Geld im Spiel: Weder die Mobilfunkindustrie noch der Bund haben ein Interesse an ungeschönten Informationen. Es ist zu befürchten, dass auch dieses Monitoring des Bundes aufgrund der unzulänglichen Messanordnung zum immer gleichen Resultat führen wird: Die Strahlenbelastung aus den Mobilfunkantennen sei unter dem Grenzwert und für die grosse Belastung aus Handys und WLANs seien wir selber schuld.

Der Dachverband Elektrosmog Schweiz und Liechtenstein regt an, dass das BAFU die Konzeption des geplanten Monitorings vorgängig öffentlich zur Diskussion stellt, um im Sinne eines Reviews dessen Qualität zu sichern. Dies würde auch den Empfehlungen der europäischen Umweltagentur entsprechen, welche schon lange vorschlägt, die betroffene Bevölkerung systematisch in das Monitoring von Umweltrisiken miteinzubeziehen. (p.s. Die Schweiz ist Mitglied der europäischen Umweltagentur und diese hat nichts mit der EU zu tun.)